Konzentrationsprobleme und -störungen

Zuerst gilt es klar festzuhalten, dass Konzentration zu einem willkürlich festgelegten Zeitpunkt, wie sie Kinder beim Erledigen der Hausaufgaben aufbringen sollen, erst allmählich erlernt werden kann. Ein siebenjähriges Kind, das nach einer Viertelstunde Stillsitzens Abwechslung sucht, handelt völlig altersgemäss.

 

«Normale» durchschnittliche Konzentrationsfähigkeit nach Alter:

  • 5-7 Jahre: 15 Minuten,
  • 7-10 Jahre: 20 Minuten,
  • 10-12 Jahre: 20-25 Minuten
  • 12-14 Jahre: 30 Minuten.

Allerdings können sich Kinder jeden Alters schon einmal länger konzentrieren, wenn sie sich mit etwas beschäftigen, das ihnen etwas bedeutet, wenn also das Interesse und die Motivation stimmt. Meist kann man beobachten, dass Kinder bei selbst gewählten Beschäftigungen durchaus sehr ausdauernd aufmerksam sein können. In anderen Situationen hingegen z.B. bei eben bei den Hausaufgaben nur recht eingeschränkt.

Konzentration ist nämlich keine Eigenschaft, die immer und jederzeit verfügbar ist, sondern eine Fähigkeit, die in besonderem Masse von der jeweiligen Situation abhängt. Es ist jedoch nicht allein die aktuelle Situation, auch das Thema oder die Sache, mit der sich ein Kind beschäftigt, beeinflusst seine Konzentration.

 

Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf eine Sache auszurichten, hängt von vielen Bedingungen ab:

  • von der Sache - Ist die Sache für interessant oder eher eine langweilige Pflichtaufgabe?
  • von der aktuellen Stimmung – Fühlt man sich heute wohl oder hat man Sorgen und Ängste?
  • vom Können - Macht die Arbeit Spass, kann man das, oder hat man dabei Schwierigkeiten?
  • von der Umgebung - Was passiert gerade rundherum? Ist das viel interessanter und spannender?
  • von der Tageszeit - Am Abend oder auch schon am Nachmittag, wenn ein Kind müde ist, sinkt die Konzentrationsfähigkeit

Will man herausfinden, ob sich das Kind konzentrieren kann, dann beobachtet man es einmal in verschiedenen Situationen: Beim Spielen, beim Musik hören, bei Hausaufgaben, die es gerne macht und bei solchen, die es weniger gerne erledigt. Nur wenn man keine einzige Situation findet, in der sich das Kind über einen begrenzten Zeitraum (ca. 15 Minuten) intensiv mit einer Sache beschäftigen kann, ohne sich selber abzulenken, könnte bei dem Kind eine gestörte Konzentrationsfähigkeit vorliegen.

 

Tatsächlich sind nur sehr wenige Kinder gänzlich unfähig zur Konzentration. In den meisten Fällen geht es nicht um eine Konzentrationsschwäche, sondern um wenig vorhandene Anstrengungsbereitschaft oder um Vermeidungsverhalten. Man kann dann auch nicht von «Wollen» oder «Nicht-Wollen» sprechen. Etliche Kinder nehmen in der Schule und bei den Hausaufgaben nur widerwillig Herausforderungen an, arbeiten oberflächlich und hören möglichst rasch wieder auf oder fangen gar nicht erst an, schieben alles vor sich her, unterbrechen immer wieder.

 

Aufgrund der Technik, der Medien, die Kindern heute zur Verfügung stehen, müssen sie nicht viel tun, damit etwas Aufregendes passiert. Es reicht auf den Knopf einer Fernbedienung zu drücken und schon winkt das grosse Abenteuer! Kein Wunder also, dass Schularbeiten gegen die farbige Welt, die von den Medien präsentiert wird, langweilig wirken. Was fehlt, ist letztlich nicht Konzentration, sondern die Fähigkeit zu warten, Bedürfnisse aufzuschieben, Misserfolge auszuhalten, also wichtige Aspekte von Selbstdisziplin. In solchen Fällen handelt es sich also nicht um Konzentrations- sondern um Motivationsprobleme. LINK zu Leistungsmotivation.

Aufmerksamkeit ist keine Fähigkeit, die Kinder a priori mit auf die Welt bringen, sondern ein Reifungs- und Lernprozess, d.h., eine Haltung, die sie beim Spielen und in der Schule erst lernen. Das Gehirn lernt im Laufe der Entwicklung von sich aus, die Umweltreize zu filtern. Doch diese aktive Steuerung, also die Fähigkeit zur Reizselektion, ist nicht nur ein Reifungs-  sondern auch ein langwieriger Lernprozess.

 

Die Aufmerksamkeit gezielt auf etwas zu lenken und dann auch dabei zu bleiben ist keine Frage der Intelligenz. Konzentrationsfähigkeit muss erlernt und regelmässig geübt werden. 

Was Eltern tun können

  • Mit den Kindern spielen: Gleichgültig, ob es sich um ein Gesellschaftsspiel, ein Konstruktionsspiel wie Lego oder Bauklötze, ein Ball-, Rollen- oder Geschicklichkeitsspiel handelt: Jedes Spiel ist geeignet die Konzentration zu fördern, wenn es Spass macht. Auch gemeinsames Basteln, Vorlesen und das Anschauen von Bilderbüchern fordern und fördern Konzentration. Dabei ist auf eine angenehme Atmosphäre ohne Fernseher, CD-Player oder ähnlicher Berieselung zu achten. Tägliche konzentrationsfördernde Spiele oder Übungen steigern die Aufnahmefähigkeit eines Kindes, wodurch eine Steigerung des Selbstwertgefühls, der Leistung, der Aufgeschlossenheit erreicht wird.
  •  Spielzeugangebot im Kinderzimmer überschaubar halten.
  •  Kinder nicht zu sehr verplanen: Kinder brauchen freies Spielen, denn alle spielerischen Aktivitäten sind für deren Entwicklung unverzichtbar, etwa für den Spracherwerb sowie für das Ausbilden sozialer Kompetenz und für die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Aus Untersuchungen weiss man, dass das sich entwickelnde Gehirn viel mehr gefordert und gefördert werden, wenn Kinder ihr Spiel selbst gestalten.
  •  Nicht schimpfen und bestrafen: Geschimpfe oder Bestrafungen bringen bei Konzentrationsproblemen nichts und erhöhen nur die Frustration und Verzweiflung des Kindes. Damit Kinder ein gesundes Selbstvertrauen aufbauen können, ist es wichtig, dass sie sich mit all ihren Schwächen angenommen fühlen.
  •  Pausen einlegen: Beim Erledigen der Hausaufgaben darauf achten, dass entsprechend dem Alter des Kindes jeweils kurze Pausen eingelegt werden.
  •  Umweltreize ausschalten: Die Aufmerksamkeitsausrichtung gelingt umso leichter, je mehr man an Umweltreizen ausgeschaltet werden. Dazu gehören vor allem visuelle Ablenkungen, z.B. der Fernseher, das Spielzeug auf dem Schreibtisch, der Bildschirmschoner, die im gleichen Zimmer arbeitende Mutter, das Fenster vor dem Schreibtisch mit Blick auf spielende Kinder, akustische Ablenkungen, z.B. die nebenan spielenden Geschwister, das Radio, das Handy, der Lärm von der Strasse, und innere Ablenkungen, z.B. unangenehme Gedanken und Gefühle, Ängste, Ärger mit Eltern oder Spielgefährten, Druck und Anspannung, anhaltende Misserfolge.

Worauf ausserdem zu achten ist

  • Sauerstoff, Flüssigkeit und Ernährung - Um uns zu konzentrieren, brauchen wir viel Sauerstoff und einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt. Lüften Sie das Kinderzimmer kräftig durch, bevor Ihr Kind mit den Hausaufgaben beginnt. Stellen Sie ihm eine Flasche Mineralwasser oder Apfelschorle (kein Saft, keine Limonade) auf den Schreibtisch, damit es ausreichend trinkt. Unser Gehirn braucht zum Arbeiten Zucker und Sauerstoff. Dabei kann unser Körper jedoch nur Einfachzucker (Glucose) verwerten, wie er in Obst und Gemüse zu finden ist. Süßigkeiten und der normale Haushaltszucker dagegen sind schädlich und für den Aufbau der Konzentration abträglich. Achten Sie daher darauf, dass Ihr Kind dann, wenn es sich konzentrieren soll (in der Schule, vor den und während der Hausaufgaben) keine Süssigkeiten isst oder Limonade trinkt. Obst (Äpfel, Weintrauben, Bananen, Rosinen) stellen demgegenüber vom Gehirn direkt verwertbaren Zucker in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Manche Kinder reagieren auf Phosphate oder auf Zucker mit gesteigerter Aktivität und Konzentrationsstörungen. Um die Fähigkeit zur Konzentration zu fördern, ist es allgemein wichtig, auf eine fett- und zuckerarme sowie vitaminreiche Ernährung zu achten, die ausserdem reich an Selen, Niacin und Cholin ist. Mehr dazu unter ESSEN - Link
  • Auge und Ohr - Auch das Auge braucht Ruhe, wenn wir uns konzentrieren wollen. In diesem Bereich unterscheiden wir Erwachsene uns von den Kindern. Wir brauchen Ordnung, um unsere Aufmerksamkeit ausrichten zu können. Kinder können auch noch in einem "gesunden Chaos" in aller Ruhe spielen. Dennoch: Achten Sie bei den Hausaufgaben darauf, dass der Arbeitsplatz frei ist von ablenkenden Spielsachen. Es ist hier nicht so sehr die visuelle Ablenkung, die stört, als viel mehr der Aufforderungscharakter, der von den vielen Spielsachen ausgeht. Ein Kind, das nicht gerne Hausaufgaben macht, wird sich vom Spielzeugauto, dem Kanarienvogel oder den Puppen auf dem Schreibtisch leicht ablenken lassen.
  • Innere Ruhe - Nicht nur das Auge und die Ohren, auch die Seele braucht Ruhe und Ausgeglichenheit. Stress und Anspannung sind keine guten Konzentrationshelfer. Streit und Sorgen in der Familie stören die Konzentration genauso, wie lang andauernde Misserfolge. Tragen Sie durch Ermahnungen und Strafen nicht zusätzlich zu einer Steigerung dieser Anspannungen bei. Ein Kind braucht Lob und Anerkennung dann am dringendsten, wenn es dies am wenigsten verdient hat! Ihr Schimpfen nach einer schlechten Klassenarbeit ist also wenig hilfreich und kaum geeignet, dass sich Ihr Kind mit neuer Energie konzentriert an die Hausaufgaben oder zusätzliches Üben heranmacht. Auch Musik hören, z.B. eine Entspannungs-CD oder das Hörspiel-CDs sind gute Möglichkeiten, die Gedanken abzuschalten und die Ausrichtung der Aufmerksamkeit zu lernen. Dazu gehört natürlich, dass die Kinder sich hierbei nur mit der Musik oder dem Hörspiel beschäftigen. Besonders gut geeignet ist auch das Vorlesen. Zum Aufbau von Konzentrationsfähigkeit gibt es kaum etwas Besseres, als den Kindern Geschichten zu erzählen und etwas vorzulesen. In diesen Beispielen wird die Entspannung über die Ausrichtung der auditiven Wahrnehmung erreicht. Auch hier ist die Ausschaltung der Motorik (gemütlich im Bett liegen oder im Schaukelstuhl sitzen) von ganz wesentlicher Bedeutung.
  • Haustiere fördern die Konzentration beim Lernen - Untersuchungen belegen, dass für manche Kinder Haustiere perfekte Lernpartner darstellen, denn etwa mit einem Hund als Freund an ihrer Seite sind Kinder lernfreudiger, konzentrierter und weniger stressanfällig.
  • Musik - Man weiss aus Untersuchungen, dass eine gleichmäßig laute Umgebung unaufmerksame Kinder beim Lernen unterstützt, wobei die Konzentrationssteigerung wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass Lärm das Gehirn insgesamt aktiviert. Das Gehirn lernt besser, wenn es während des Lernens mit Geräuschen stimuliert wird, wobei eine gleichmäßige Geräuschkulisse das Aktivierungsniveau hebt, ohne abzulenken. Da tagsüber zahlreiche Geräusche (Strassenlärm, Vogelgezwitscher, Menschen) eine Art Klangteppich schaffen, der die Konzentration fördert, ist Musik beim Lernen nicht wirklich notwendig. Allerdings kann bei manchen Kindern geeignete Musik das Lernen ein wenig unterstützen. Hilfreich ist Musik, die etwa 60 Schläge pro Minute aufweist, da dies in etwa dem Herzschlag eines Menschen im entspannten Zustand entspricht. Die persönliche Einstellung und die Erfahrungen, die ein Kind mit Musikhören gemacht hat, sind aber Ausschlag gebend dafür, ob beim Lernen Musik förderlich oder eher hinderlich ist. Soll sich ein Kind Vokabeln einprägen oder das Einmaleins auswendig lernen, so kann es durchaus sinnvoll sein, diesen Stoff im Takt einer bestimmten Musik mehrfach zu wiederholen. Durch die Kopplung des Rhythmus der Musik mit der Vokabel ist der Behaltenseffekt bei manchen Kindern grösser. Beim Auswendiglernen oder beim mechanischen Lösen von Aufgaben kann Musik also die Motivation aufrechterhalten und der Langeweile vorbeugen. Anders verhält es sich, wenn ein Kind sich Lerninhalte aktiv erarbeiten muss. Um z.B. einen Text konzentriert zu lesen und dann eine Nacherzählung zu schreiben, braucht es seine ganze Aufmerksamkeit. Selber denken und entdecken lässt wenig Raum, um sich gleichzeitig auf andere Dinge zu konzentrieren. Schwierige, laute oder anstrengende Musik mit anspruchsvollen Texten stört beim Lernen generell. Manche Kinder sind jedoch selber so unruhig und angespannt, sodass eine ruhige, entspannende und meditative Hintergrundmusik eine beruhigende Atmosphäre erzeugen kann, in der sich das Kind besser konzentriert. Die Musik selbst wird dabei gar nicht bewusst wahrgenommen. Nicht alle Kinder profitieren von Musik beim Lernen, manche werden dadurch nur abgelenkt, wobei dies besonders auf auditive Lerntypen zutrifft, die sich von Geräuschen ablenken lassen. In den Lernpausen, die Schülerinnen und Schüler altersgemäss einlegen sollten, hilft aber Musik manchmal, neue Energie zu tanken.